Grafschafter Museum -Stand und Perspektiven- 2006

Diana Finkele

Wenn Geschichte allen gehört, dann muss sie auch allen zugänglich sein. (Gustav Heinemann)

Das Grafschafter Museum ist eines von 6.059 Museen in der Bundesrepublik Deutschland (Stand 2002). Insgesamt verzeichneten diese Museen 101.218.801 Besuche im Jahr (gezählt wird die Anzahl der Besuche, nicht der einzelnen Personen, deshalb Besuche und nicht Besucher). Natürlich sind Besucherzahlen nicht das Maß aller Dinge, aber begreift man das eingangs erwähnte Zitat von Gustav Heinemann auch als Aufgabe für die Museen, Geschichte bzw. Kultur möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, dann bedeutet dies auch, Hürden für einen Museumsbesuch abzubauen und möglichst viele Menschen zu einer Auseinandersetzung mit Geschichte und Kultur in unsere Museen einzuladen. Neben dem Sammeln, Bewahren und Erforschen, ist das eine wichtige Aufgabe der Museen. Gibt es eine Strategie, mit der wir dieses Ziel erreichen können? Werfen wir einen Blick auf die bundesdeutsche Museumslandschaft:

Weit über die Hälfte aller Museen (52,9%) bilden kleinere Museen, die im Jahr bis zu 5000 Besucher zählen. In den vergangenen Jahren (seit 1996 mit Ausnahme des Stadtjubiläumsjahres 2000) zählte das Grafschafter Museum mit durchschnittlich rund 19.000 Besuchern pro Jahr zu den 5,0 Prozent der Museen, die zwischen 15.001 und 20.000 Besucher pro Jahr erreichen (nach der Einteilung des Instituts für Museumskunde Berlin). Im Jahr 2002 war die Zahl der Gesamtbesuche mit minus 1,7% im Vergleich zum Vorjahr seit 1996 in der Bundesrepublik erstmals wieder rückläufig. Abbildung 3 bis 5 zeigen die Besucherzahlenveränderungen von 2000 bis 2002 mit ihrer Verteilung auf die jeweilige Museumsart. Gibt es Museumsarten, die aufgrund ihrer Ausrichtung im Hinblick auf den Besucherzuwachs besonders erfolgreich sind?

Die Veränderungen der Besucherresonanz hängen offenbar nicht mit der Museumsart zusammen. So konnten Kunstmuseen 2002 und 2001 ein deutliches Besucherplus verzeichnen, hatten aber ein Jahr zuvor ein deutliches Besucherminus zu beklagen. Am auffälligsten sind die Schwankungen bei den Museumskomplexen. Diese waren im Jahr 2000 eine relativ neue Erscheinung und konnten den Besucheransturm der Anfangsjahre offenbar nicht weiter ausbauen.

Mehr Aufschluss über die Gründe für Besucherzahlenveränderungen ergibt die Umfrage des Instituts für Museumskunde, an der 561 Museen teilnahmen: 

(Quelle: Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2002. Hrsg. vom Institut für Museumskunde Heft 57 (2003), S. 12.) 

Fazit: Die Attraktivität eines Museums hängt in hohem Maße von seinen Aktivitäten ab (Sonderausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit, museumspädagogische Angebote, Veranstaltungen).

Wo steht das Grafschafter Museum im Moerser Schloss?

Im Jahr 2004 konnte das Grafschafter Museum über 10.000 Besuche mehr verzeichnen als im Vorjahr - Ein Plus von 62 Prozent! Das Grafschafter Museum „steigt auf“: Im Jahr 2004 wird das Museum mehr als 25.000 Besucher erreichen und zählt damit zu den 8,1 Prozent der bundesdeutschen Museen der Größenklasse 25.001 bis 50.000 Besucher pro Jahr.

Was sind die Besonderheiten des Grafschafter Museums?

Das Grafschafter Museum im Moerser Schloss ist - gelegen in unmittelbarer Nähe zur historischen Altstadt - der repräsentative Mittelpunkt und das Schaufenster der Stadt. Die neuesten archäologischen Erkenntnisse zeigen, dass das Moerser Schloss eine der ältesten im Rheinland erhaltenen hochmittelalterlichen Ringburganlagen und damit ein Baudenkmal von überregionaler Bedeutung ist. Mit seiner beinahe 100jährigen Sammlungsgeschichte verfügt das Grafschafter Museum über eine herausragende Sammlung, ein bedeutender Teil davon ist eine Dauerleihgabe des Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins. Mit ihrem einmaligen Ambiente sind Schloss und Schlosshof der besondere Ort kultureller Veranstaltungen in Moers.

Für die Museumsarbeit ergeben sich daraus folgende Ziele und Chancen:

•          Die Geschichte des Schlosses, seiner Bewohner, der Stadt Moers und die Kulturgeschichte der Region erlebbar machen

•          Durch regelmäßige kultur- und regionalgeschichtliche Sonderausstellungen die Attraktivität des Museums steigern

•          Durch Rahmenprogramme und kulturelle Veranstaltungen die Attraktivität des Museums zusätzlich erhöhen

•          Durch museumspädagogische Angebote Geschichte vermitteln

•          Das Grafschafter Museum und damit das Moerser Schloss als über die Stadtgrenzen hinaus wahrnehmbares kulturelles Zentrum profilieren und Besucher in die Stadt einladen.

Realisierung der Ziele

Sonderausstellungen & Veranstaltungen 2004

2004 wurden vom Grafschafter Museum zwei Sonderausstellungen organisiert (Jederzeit Kaffeezeit;  Aus die Maus). Die Ausstellungen wurden mit einem umfangreichen Rahmenprogramm mit 25 Veranstaltungen (Vorträge, öffentliche Führungen, Aufführungen und Workshops und Kinderaktionen) begleitet. Zum Tag des offenen Denkmals zeigten wir im Schloss „Moers am Meer“, eine Präsentation zum Thema „Wasserbauten“ in Moers. Zusätzlich präsentierte die Bürgeraktiengesellschaft Peschkenhaus in Zusammenarbeit mit der Stadt Moers die Ausstellung „Grass im Schloss“. Günter Grass. Grafiken und Skulpturen im Museum.

Diese Sonderausstellungen und Veranstaltungen verbunden mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit und Resonanz in den Medien ermöglichten den großen Besucherzuwachs im Jahr 2004 im Vergleich zum Vorjahr. Mit seinen zahlreichen Veranstaltungen, insbesondere mit dem „Henriettenfest“, hat der Grafschafter Museum- und Geschichtsverein einen großen Anteil an dem gestiegenen Besucherinteresse in diesem Jahr. 

Ausstellungsthemen 2005 bis 2008 (Planung)

Zwei bis drei Sonderausstellungen im Jahr sollen auch in den kommenden Jahren die Attraktivität unseres Museums erhöhen:

2005           

Unter Menschen. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Altkreis Moers 1939-1945. Ausstellung des Vereins Erinnern für die Zukunft
[13. Januar bis 20. Februar 2005]

Das Tosen der Schurkerey und andere Lustbarkeiten. 30 Jahre Schlosstheater Moers
[06. März bis 17. April 2005]

Das schwarze Schaf vom Niederrhein. Hanns Dieter Hüsch zum 80. Geburtstag.[6. Mai bis 25. September 2005]

Bomben auf unser Haus. Nijmegen, Arnhem und der Niederrhein. Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Nationalen Befreiungsmuseum 1944-1945, Groesbeek
[9. Oktober bis 20. November 2005]

2006   

Licht. Luft. Wasser. Erde. Lehmpastor Emanuel Felke (7.2.1856-16.8.1926) Ausstellung zum 150. Geburtstag von Emanuel Felke in Zusammenarbeit mit dem Felke-Verein Repelen
[29. Januar bis 5. Juni 2006]

Gespenster. Sagengestalten vom Niederrhein

2007           

Mammuts. Riesen der Eiszeit

Magie und Wissenschaft zwischen Mittelalter und Neuzeit

2008    (Das Jahr des 100jährigen Bestehens des Grafschafter Museums im Moerser Schloss)

Ritter, Grafen, Edelleute. Die Herren von Moers und ihre Burg

Werkstatt und Magazine

Ein wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit ist die laufende dringende Pflege und Unterhaltung der Sammlungsobjekte. Das Grafschafter Museum verfügt zur Zeit über zehn Magazine mit einer Gesamtfläche von ca. 550m². Diese Magazinräume sind über das gesamte Stadtgebiet verstreut und unter konservatorischen Gesichtspunkten zum Teil bedenklich. Hier besteht mehrfacher Handlungsbedarf: Die Magazinräume müssen systematisiert werden, Objektstandorte müssen erfasst und Objekte dauerhaft in geeigneten Räumlichkeiten untergebracht werden.

Inventarisierung

Die mit Unterstützung des Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins begonnene Inventarisierung der Museumsbestände wurde bis zum Frühjahr 2003 fortgeführt. Rund ein Drittel des Sammlungsaltbestandes wurde mit der Inventarisierungssoftware FAUST aufgenommen. Diese Altdaten müssen nun in die aktuelle FAUST-Version konvertiert werden, Sammlungsalt- und neubestand in FAUST aufgenommen werden bzw. erstinventarisiert werden.

Sammlung

Aufgrund der schwierigen Haushaltslage der Stadt Moers ist ein Ankauf von Sammlungsobjekten durch die Stadt Moers zur Zeit leider nicht möglich. Sammlungszuwächse kommen aus Schenkungen von Privatpersonen oder sind Grabungsfunde aus der Ausgrabung im Schlosshof.

Museumsneubau und Neukonzeption der Dauerausstellung

Der geplante und begonnene Museumsneubau bietet dem Grafschafter Museum die Infrastruktur, die längerfristig für die Realisierung der Museumsziele notwendig ist:  Sonderausstellungsfläche, Veranstaltungsraum, Büroräume, museumspädagogischer Raum, Technikräume, Sozialräume, Behindertenzugang, und einen Aufzug.

Mit der dringend notwendigen Sanierung des Museumsaltbaus bietet sich die Chance, die vorhandene Dauerausstellung zu überarbeiten. Die Erarbeitung einer neuen Museumskonzeption mit dem Schwerpunkt Schlossgeschichte und hohes/spätes Mittelalter [Erdgeschossräume 1,2,3 und 5] ist insbesondere durch die aktuellen archäologischen Erkenntnisse naheliegend. Auch für die oberen Dauerausstellungsräume (Schwerpunkt Kultur-, Stadt- und Regionalgeschichte) eröffnet sich die Möglichkeit einer Überarbeitung mit einem neuen didaktischen Ansatz.

Archäologische Ausgrabungen Schlosshof

Der Museumsneubau beinhaltet die Einbeziehung der archäologischen Ausgrabungen. Die vorgesehene Glasüberdachung der zentralen Ausgrabungsstelle wird es dem Besucher möglich machen, Schicht für Schicht in die Vergangenheit der Moerser Burg abzutauchen und so Schloss(bau)geschichte zu erleben.

Sobald es der Baufortschritt und die Auflagen der Denkmalbehörden zulassen, soll der Schlosshof als Veranstaltungsstätte inmitten der Burggeschichte (Open-Air-Kino; Konzerte, Mittelalterinszenierung: Markt, Handwerk, Alltag, Aufführungen) wieder belebt werden.

Museumspädagogik

Die Erfahrungen im vergangen halben Jahr haben es gezeigt: Der Bedarf an Vermittlungsarbeit der in Dauer- und Sonderausstellungen präsentierten Inhalte ist außerordentlich groß. Zu angebotenen öffentlichen Kinder- und Familienführungen und Aktionsnachmittagen kamen bis zu 180 Personen. Unsere Ziele sind deshalb: Ein festes museumspädagogisches Angebot zu Dauer- und Sonderausstellung; die Nutzung „museumspädagogische Nischen“ als Übergangslösung bis zur Fertigstellung des Neubaus; Integration des Museumspädagogikraums in die Ausstellung mit dem Neubau.

Events & Service

Der Museumssonntag am 2. Advent ist ein Ereignis, das in den Kalender viele Bürgerinnen und Bürger - nicht nur der Stadt, sondern auch der Region - fest eingeschrieben ist. Diese Traditionsveranstaltung auch für kommende Besuchergenerationen attraktiv zu halten, das wünschen wir uns.

Der große Erfolg des vom Grafschafter Museums- und Geschichtsverein dieses Jahr veranstalteten Henriettenfestes hat die Attraktivität eines sommerlichen Schlossfestes gezeigt. Ich würde mich freuen, wenn wir mit vereinten Kräften ein regelmäßig stattfindendes Schlossfest in den kommenden Jahren realisieren könnten.

Zusätzlich zu den Ausstellungs- und Veranstaltungsprogrammen möchten wir den Besuchern des Moerser Schlosses weitere Serviceleistungen anbieten. Hochzeiten und Sektempfänge sind schon seit einiger Zeit möglich. Raumvermietungen für kulturelle und private Veranstaltungen könnte nicht nur der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Schloss sondern auch der Mitfinanzierung von Ausstellungen und Veranstaltungen dienen.

Zum Besucherservice gehört auch die Möglichkeit, Informationsmaterialien, Kataloge, Postkarten und Merchandiseartikel zu erwerben. Die in Ansätzen vorhandene Verkaufsmöglichkeit sollte zu einem kleinen Museumsshop ausgebaut werden.

Tourismus

Mit seinen Sonderausstellungen hat das Grafschafter Museum innerhalb eines Jahres deutlich an Attraktivität in der Region gewonnen. Zahlreiche Besucher kommen aufgrund von Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehberichten aus den benachbarten Städten und dem benachbarten Ausland ins Moerser Museum. Die Reaktionen vieler Museumsbesucher zeigen, dass sie bei dieser Gelegenheit oft erstmalig auch die Moerser Innenstadt besuchen.

Die archäologischen Grabungen weisen das Moerser Schloss als eine der ältesten im Rheinland erhaltenen Ringburganlagen aus - eine entsprechende Einbindung dieser baugeschichtlichen Erkenntnisse in das Museum (begehbare Ausgrabungsfläche, baugeschichtliche Hinweise im Museumsinneren) und eine Ausrichtung eines Teiles der Dauerausstellung auf die entsprechende Zeit (hohes und spätes Mittelalter im Erdgeschoss) wird nicht nur burgen- und baugeschichtlich Interessierte nach Moers locken, sondern bietet auch die Möglichkeit, ein breiteres „Ausflugspublikum“ anzusprechen. Um ortsunkundigen Besuchern den Weg in unser Museum zu erleichtern, wäre allerdings eine bessere Ausschilderung des Museums unbedingt notwendig.

Trägerschaft und Organisationsform

Kundenorientierung und Flexibilität können eine andere Organisations- und Betriebsform erfordern. Insbesondere in Zeiten der Haushaltskonsolidierung erscheint es sinnvoll, Kultureinrichtungen, die zu den so genannten freiwilligen Leistungen einer Kommune zählen, außerhalb der Stadtverwaltung anzusiedeln. Politik und Verwaltung der Stadt Moers haben diesen Weg eingeschlagen: Die Gründung der Festival-Moers-Kultur-GmbH zum 1.1.2005 ist nur ein erster Schritt in diese Richtung. Für das Grafschafter Museum kommen innerhalb oder außerhalb des kammeralen Haushalts m. E. vier Modelle in Betracht: volle Budgetierung, Eigenbetrieb, gemeinnützige GmbH oder eine Stiftung. Welcher Weg der richtige für die Zukunft des Grafschafter Museums im Moerser Schloss sein kann, darüber möchte ich gerne mit Ihnen diskutieren. Unsere Ziele dürfen wir auch dabei nicht aus den Augen verlieren: Kulturgüter erhalten und möglichst vielen Menschen zugänglich machen. 

 

 

 

 

 

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